Montag, Februar 13, 2006

Franz Lehner: "Wer ist meine Mutter?"

Maria hört des Sohnes Not,
Womit die Feinde ihn bedrohen.
Viel Freunde, die ihm Treu gelobt,
Sind feig aus Jesu Kreis geflohen.

O Simeons Prophetenwort!
Welch eine Mutter wird nicht eilen,
Zu trösten ihres Herzens Kind
Und Gram und Leid mit ihm zu teilen?

Der Geist des Herrn führt sie heran
In all den Kampf von Lieb' und Hassen.
Ein Mutterwort ist Himmelswort,
Heißt Lieb zu Lieb in Treugold fassen.

Maria naht dem Volksgedräng
Und sieht viel Böses, viele Frommen.
Nun hört ihr Sohn die Kunde sagen:
"Die Mutter und Verwandte kommen."

Wer blickt zutiefst in Jesu Herz
Und ahnt sein dankesheißes Glühen!
Wer sieht am dornenreichen Strauch
Der Liebe Rosen auferblühen?

"Wer ist mir Mutter, Bruder mir'?
Fragt er im Klange fremden Tones.
Schon wechseln manche ihren Blick,
Halb bang, halb schadenfrohen Hohnes.

'Was sind ihm Mutter und die Brüder!'
So raunt der Mund des Pharisäers.
'Er kennt die eigne Mutter nicht',
So staunt der list'ge Blick des Spähers.

'Er gibt sich aus als ein Prophet
Und handelt nicht nach seinen Lehren,
Da Gott im Vierten doch gebot,
Man müsse seine Eltern ehren.'

'Wer ist mir Mutter', fragt der Sohn,
'Ein Tadel ist's und kein Lobpreisen.
Kein edler Sohn schämt sich der Mutter;
Er will sie hart von hinnen weisen.'

'Was sucht die Frau in dieser Schar?
Will sie des Sohnes Lorbeer teilen?'
So fragt der Zweifler, stichelt Spott:
'Hinweg, für euch ist hier kein Weilen.'

Schon ruft erregt ein Gegenwort:
'Wer will es einer Mutter wehren
Am Ruhm des wundertät'gen Sohns
Voll heil'gen Glückes mit zu zehren!

Er rügt wohl die Zudringlichkeit,
Wie manch Verwandte sich benehmen.
Sie wollen Glanz und Vorteil sehn,
Doch sich zum Glauben kaum bequemen.

Gott darf man niemals widerstehn,
Auch nicht der eigen Mutter willen'. - -
Er hebt die Hand. Es schweigt die Schar,
Er will den Streit der Zweifler stillen.

"Wer ist mir Mutter, Bruder mir?"
Mild klingt sein Wort in aller Schweigen:
"Seht, die sind Mutter, Brüder mir,
Die sich als wahre Jünger zeigen.

Die meines Vaters Willen tun
Und ihn in allem folgsam wählen,
Sind Bruder, Schwester, Mutter mir.
Ich will sie zu den Meinen zählen".

Da gellt ein Schrei: 'Er lästert Gott;
Er nennt den Höchsten seinen Vater
Und stellt sich frevelnd selbst ihm gleich;
Beélzebub ist sein Berater.'

Nun rundet Jesus einen Kreis,
Drin seine Jünger eingeschlossen
Um seine Mutter eng gereiht,
All-eins von Gottes Geist umflossen.

Sein Aug' ruht auf der treuen Schar,
Als wollte er sie all umfangen:
"O meine Mutter - alle mein,
Des Herzens Anteil, mein Verlangen."

Maria suchte Jesus heim
Als Trösterin im Feindeshassen,
Und eher wird die Hand verdorren,
Als Lieb von Liebe könnte lassen.

Die Jünger fühlen Gottestrost;
Ihr Glaube lebt aus Jesu Herzen
Und schmiegt sich an Maria hin,
Mit ihr zu tragen Heilandsschmerzen.

Die Hoffnung schwebt im Adlerflug,
Ja höher, als die Adler dringen.
Und wo sie zu erlahmen droht,
Beginnt sie erst sich hoch zu schwingen.

Und Liebe trägt uns himmelwärts,
Woher die Strahlen niederglühen.
O Liebe, die zuerst geliebt,
In dir wird Jesu Reich erblühen.

Aus: Franz Lehner: Liebfrauenlied
Mit kirchlicher Druckerlaubnis. Regensburg, den 11. Februar 1938. Das Bisch. Ordinariat: Dr. Höcht.

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