unter dem Titel der freudenreichen Jungfrau.
Zu den Bergen erhebe ich meine Blicke, von wo mir Hilfe kommen wird; so sangen, begeistert von Liebe zur heiligen Stadt Jerusalem, die frommen Israeliten, wenn sie, treu der Vorschrift des Gesetzes, dorthin pilgerten, um dem Herrn den Tribut des Lobes und der Anbetung darzubringen. Innige Freude durchglühte ihre Herzen beim Anblicke der Berge Sions; denn dort allein wohnte ihr Gott im Tempel, und von dort ergossen sich die Ströme seiner Gnaden über das ganze Land. -- Ähnliche Gefühle mögen auch die frommen Waller beseelen, die jahraus jahrein, Tag um Tag zu jenem Berge pilgern, den die gebenedeite Gottesmutter sich zur Gnadenstätte erwählt hat. Maria ist der Magnet, der die Herzen ihrer treuen Kinder zu dieser ihr geweihten Stätte zieht! Wer zählt alle die Gnaden, die sie dort oben in stiller Andachtsstunde ins Herz der frommen Beter gesenkt hat; wie viele haben durch ihre mütterliche Erbarmung dort oben den Frieden des Herzens, Kraft in Versuchungen, Stärke in den Leiden, Hilfe in der Not, einen Schatz von Gnaden und Segnungen gefunden! Ja, diesen Ort hat Maria sich zur Gnadenstätte auserwählt.
Zu Ehren des heiligen Bonifatius wurde der Frauenberg ehedem "Bischofsberg" genannt; denn dort oblag der große Heilige in stiller Klause dem Gebete, der Betrachtung und Lesung der heiligen Schrift. Als der Abt Ratgar von Fulda auf dem Berge ein Kirchlein zu Ehren der Gottesmutter erbaut hatte, verschwand der Name "Bischofsberg" allmählich, und die frommen Gläubigen nannten den Berge "Frauenberg", d. h. Berg unserer lieben Frau oder Marienberg (Mons Marianus). Den Gottesdienst besorgten zuerst weltliche Chorherren, dann Benediktinerpatres, bis Kirche und Kloster im Bauernkriege teilweise zerstört wurde und infolgedessen lange Zeit leer stand. Als sie wiederhergestellt waren, schenkte sie der berühmte Fürstabt Johann Bernhard Schenk von Schweinsberg im Jahre 1623 den Franziskanern, die bis dahin in einem Klösterlein an der Severikirche gewohnt hatten. In der Bittschrift hatten die Patres eigens hervorgehoben, daß sie den Gottesdienst und die Verehrung der allerseligsten Jungfrau Maria eifrigst fördern wollten. Und sie haben sich gewiß bemüht, ihr Versprechen zu halten; sie gaben sich auch daran, die von alters her üblichen Andachten neu zu beleben. In den Wirren des dreißigjährigen Krieges, der auch der Abtei Fulda die Spuren der Verwüstung und der Brandschatzung aufdrückte, schändeten hessische Soldaten die Kirche, indem sie darin ihre Wachtfeuer anzündeten und die Kirche so übel zurichteten, daß, wie die Chronik berichtet, die Franziskaner des andern Tages die heilige Messe nicht in der Kirche lesen konnten, sondern das heilige Opfer in der Sakristei feiern mußten. Als nach Beendigung des langen Kieges die Kirche restauriert war, wurden auch die drei neuen Altäre von Weihbischof Johann Sternenberg von Münster im Jahre 1652 konsekriert. Der Hochaltar war der lieben Gottesmutter geweiht.
Auf demselben befand sich damals ein weithin bekanntes Standbild Mariens, das wegen verschiedener wunderbarer Gebetserhörungen berühmt und bei den Gläubigen mit der größten Andacht verehrt wurde; schon über 100 Jahre genoß es diese Verehrung. Die Statue war aus Holz geschnitzt; auf dem rechten Arm trug Maria ihr göttliches Kind; nach der damaligen Sitte war die Gottesmutter und das Jesukind mit kostbaren Prunkkleidern geschmückt. Außer diesen Gewändern brachte die dankbare Frömmigkeit der Gläubigen für erlangte Gebetserhörungen allelei Schmucksachen an dem Bilde an. Schon vor 1662 hatte jemand demselben einen silbernen Rosenkranz umgehängt. Der am 29. Dezember 1707 verstorbene Lukas Reichard von Fulda vermachte zum Schmuck des Muttergottesbildes einen silbernen Rosenkranz mit einem Ring und einigen Medaillen, sowie ein silbernes "Gesetzlein" des Rosenkranzes für das Jesukind. Um das Jahr 1720 schenkte die formme Matrone Maria Lucia Rinecker der Frauenberger Kirche ihre goldene Brustbinde zur Zier der Marienstatue. Nikolaus Knips, Pfarrer von Schmalnau, verehrte dem Gnadenbilde im Jahre 1735 eine kostbare Schaumünze im Werte von 15 Gulden. Diese Schenkungen und Vermächtnisse sind Zeugen des hohen Vertrauens, das dem altehrwürdigen Muttergottesbilde von der ganzen Bevölkerung entgegengebracht wurde.
Als im März 1757 die Kirche auf dem Frauenberge zugleich mit einem Teile des Klosters abbrannte, wurde das alte, vielverehrte Standbild der Gottesmutter zum Glück gerettet, obwohl der Brand einige Spuren an ihm zurückgelassen hatte; das Jesukind blieb allerdings seitdem verschollen. In der neuerbauten Kirche fand das Standbild wieder seinen Ehrenplatz auf dem Hochaltare, bis es im Jahre 1865 durch eine Madonnenstatue ersetzt wurde. Als 10 Jahre später, im Oktober 1875, die Franziskaner infolge des Kulturkampfes vom Frauenberg vertrieben wurden, erhielt H. Henkel in Großenbach das altehrwürdige Muttergottesbild. Es sollte ihm zum Schutz und Schirm werden; denn ihm schrieb es sein damaliger Besitzer zu, daß das Haus, in dem sich die Statue befand, im Jahre 1895 bei einer großen Feuersbrunst gerettet wurde, obwohl der Nebenbau schon in hellen Flammen stand und die Fieder im Dachwerk des Hauses schon Feuer gefangen hatten.
Im Jahre 1907 ist das Gnadenbild vom Bildhauer Fleck würdig und kunstvoll restauriert worden und hat seinen ehemaligen Ehrenplatz auf dem Hochaltare wiedererhalten. Der Künstler hat der Statue wieder ein Jesukind beigegeben, das sich hold und innig an die Mutter schmiegt. Im goldenen Festgewande, das ihr nach einer zweiten Renovation der Kirchenmaler Schmauß-Pfister 1909 gegeben, strahlt nun wieder das Gnadenbild in der Nische des Hochaltares. Das Kloster und die Gläubigen verehren Maria unter dem Titel der freudenreichen Jungfrau. Ein eigenes Fest verherrlicht am Sonntag nach Mariä Himmelfahrt die sieben Freuden der Himmelskönigin. Möge denn nun die Freudenkönigin fortfahren, wie ehedem, ihre Getreuen um sich zu sammeln, ihre tausend Anliegen huldvollst anzuhören, sie gütigst zu erhören und ihnen dadurch wahre Himmelsfreude ins Herz hineinzulegen und mit wachendem Mutterauge das Sorgen und Kümmern, das Schalten und Walten ihrer Kinder vom Berge herab hilfreich zu begleiten.
Aus: Kleiner Pilgerführer zum Gnadenbilde der Himmelskönigin auf dem Frauenberge bei Fulda. - Mit Erlaubnis der geistlichen Obrigkeit - Dülmen i.W. - A. Laumann'sche Buchhandlung, Verleger des hl. Apost. Stuhles, Dülmen i.W.
Imprimatur. Monasterii, die 15. Aprilis 1911. F. de Hartmann, Vicarius Capitularis.
Imprimatur. Fuldae, die 31. Januarii 1911. Fr. Saturninus Göer, Min. Prov.
Archivexemplar des Immaculata-Verlages, CH-9050 Appenzell (Schweiz)
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