Donnerstag, Juli 09, 2009

Die "liebliche Mutter" der Birnau (Bodensee)

Birnau, Gnadenbild der "lieblichen Mutter"

Als Hauptblickpunkt des Kirchenraums und Mittlerin der Gnaden besonders hervorgehoben, glänzt seit 1790 die Gottesmutterstatue, wie eine Perle in der Muschel, im klassizistischen Aufbau des Hochaltarzentrums. Das Bild der zum Kreis der "Schönen Madonnen" gehörigen Mutter der Birnau gilt bei Verehrern und Experten als "schönstes thronendes Madonnenbild in Oberschwaben". Ihm ist auch das große Deckengemälde über dem Langhaus der Wallfahrtskirche gewidmet. Engel tragen dort das Gnadenbild in den Kirchenraum, um die neue Gnadenstätte damit auszuzeichnen und die Tradition der Altbirnauer Marienverehrung fortzusetzen.
Die etwa ein Meter hohe Madonnenskulptur ist mit dem weich fließenden Fall des Gewandes und den tiefen Schüsselfalten zwischen den Füßen ein Werk der Gotik um 1430. Nach den Forschungen von Jürgen Michler kann es mit Arbeiten der Bildhauerkunst der Stadt Ulm a. D. während der Jahre 1420/36 verglichen werden. Vor allem handwerklich dekorative Steinskulpturen der Ulmer Münsterfassade und verwandte Arbeiten am Überlinger Münster lassen sowohl in der dekorativen Manier als auch in der grazilen Linienschönheit die stilistischen Beziehungen zwischen dem Birnauer Gnadenbild und der Ulmer Schule, besonders zum "Meister des Dornstädter Altars", erkennen. Zumal eine schriftliche Quelle um 1430 einen "maister von Ulm" für Arbeiten in Überlingen bezeugt, fällt die stilistisch abzuleitende Einordnung in die kunstgeschichtlichen Zusammenhänge nicht schwer. Unklar ist jedoch geblieben, warum um 1430 ein neues Bild der thronenden Gottesmutter für Alt-Birnau geschnitzt wurde. Was war mit dem ursprünglichen Gnadenbild geschehen? Es fällt auf, dass das im "weichen Stil" gehaltene Gnadenbild zwar gotisch geprägt, aber wohl in Anlehnung an das Vorbild einer romanischen, sitzenden Madonna geschaffen wurde. Es liegt nahe, an das vorhergehende Birnauer Bild zu denken. Darüber hinaus scheinen auch typologische Merkmale des früheren, oft nachgeahmten Einsiedler Gnadenbildes durch die gotische Nachbildung der Birnau durch. Neu war am Bodensee für die Madonnenbilder im 1. Drittel des 15. Jhs. die Verwendung des Mondsichelmotivs am Sockel der Marienskulpturen (vgl. Marienbild von Eriskirch, 1410). Dieses Halbmondbild mit eingeschmiegtem Antlitz der apokalyptischen Frau muss in Beziehung zum ursprünglichen, heute fehlenden Strahlenkranz hinter der Sitzfigur gesehen werden (vgl. Gnadenbilddarstellung von Christoph Lienhard, 1708). Am Sonnenglanz (Licht und Wärme Gottes) und Mond erkennen wir in Maria jene Frau der Geheimen Offenbaung, die im Heilsplan Gottes von Ewigkeit her als Mutter des Erlösers und Gnadenmittlerin existierte (Apok. 12, 1-5). Sonne und Halbmond waren im Mittelalter gern gebrauchte, aus der Antike übernommene Königssymbole Christi, die in der Barockzeit aber auch auf Maria bezogen wurden, weil der Mond sein Licht von der Sonne erhalte.
Das Alt-Birnauer Gnadenbild wurde 1746 mit einem Täuschungsmanöver in die Abtei Salem entführt und 1750 in das neue Heiligtum am Bodensee übertragen. "Unsere liebe Frau" hält würdevoll ihren Sohn, das fleischgewordene Wort, auf dem Schoß. Sie stellt ihr Kind zum Heil der Welt vor. Um 1900 ergänzten die Überlinger Restauratoren Gebr. Mezger die verlorenen Hände und Attribute von Mutter und Kind und trugen eine neue Farbfassung auf. So sind die Gestik, der angebissene Apfel als Anspielung auf die Erbsünde und das Kreuzchen des Jesuskindes am Anfang des 20. Jhs. nach alten Vorlagen beigefügte Sinnbilder des durch Christus wiederhergestllten Heils.

Marienheiligtum Birnau, Altarraum

Maria, der Stern des Meeres

"Ihr Menschen, die ihr erkennt, dass ihr im Strom des irdischen Lebens mehr zwischen Stürmen und Unwettern schwankt als auf festem Boden wandelt, wendet eure Augen nicht ab von dem Glanz dieses Gestirns, wenn ihr von den Stürmen nicht überwältigt werden wollt! Wenn die Winde der Versuchungen sich erheben, wenn du in die Klippen der Trübsale gerätst, dann blick hin auf den Stern, ruf Maria an! Wenn du getrieben wirst auf den Wellen des Stolzes, auf den Wellen des Ehrgeizes, der Schmähungen, der Eifersucht, richte den Blick auf jenen Stern, ruf Maria an! Wenn Zorn, Habgier oder die Verlockungen des Fleisches dein Lebensschiff von seiner Bahn abbringen wollen, schau auf Maria! In Gefahren, in Ängsten, in bedenklichen Lagen, denk an Maria, ruf Maria an!"

(Aus einer Predigt des hl. Bernhard von Clairvaux)

Marienheiligtum Birnau, Innenansicht

Aus: Hermann Brommer: Die Birnau - Gnadenstätte am Bodensee. Herausgeber Editions du Signe, B.P. 94, F-67038 Strasbourg Cedex 2, ISBN 2-87718-756-X.

Wallfahrtskirche Betenbrunn-Heiligenberg

Betenbrunn, Heiligenberg

Gnadenaltar Betenbrunn, Heiligenberg
Der Gnadenaltar

Die Wallfahrtskirche in Betenbrunn

Geschichte. Der Name wird auf einen Brunnen der drei Beten zurückgeführt, die als Betreuerinnen der Toten von den Kelten verehrt wurden, oder auf einen Mann namens Betto oder auf einen vielverehrten heilkräftigen Brunnen. Vermutlich ist schon früh diese heidnische Mütterkultstätte von christlichen Missionaren in einen Ort der Muttergottes-Verehrung umgewandelt worden. 1275 wird "Bettenbrunnen" erstmals urkundlich im Liber decimationis, dem Abgabenbuch der Diözese Konstanz, erwähnt; 1353 im Zusammenhnag mit dem Zisterzienserkloster Salem und der Gemeinde Wintersulgen. Als sich 1373 bei der baufälligen "Pfarrkirche BMV und Peter und Paul" ein Franziskanerkloster niederließ, genehmigte Papst Gregor XI. den Bau einer neuen Kirche mit Turm. 1387 wurde "Maister Johann von Ah" von Konstanz hierher geschickt, um "ain kor und ain Sekristy" zu bauen. Doch bereits 1388 siedelten die Franziskaner nach Überlingen über. 1398 stimmte Papst Bonifaz IX. der Umwandlung der Pfarrkirche in eine Kollegiatskirche mit einem Propst und 3 Kanonikern zu. 1406 wurde ein 4. Kanonikat, 1681 von Propst Wey ein 5. gestiftet. Das Kollegiat unterstand nicht immer dem Konstanzer Bischof und der Abtei Salem, sondern zeitweise auch dem Abt von Weingarten. 1414 wurde die Kirche zugleich Grablege der gräflichen Familie und blieb dies bis zum Einbau der Gruftkapelle im Schloss 1586. Albrecht IV. und seine Gemahlin Anna von Montfort wurden als erste hier beigesetzt. 1522 stiftete die Familie die 3 heute noch im Turm hängenden Glocken von Hans Folmer, Biberach. In der 2. Hälfte des 16. Jh. kamen - außer den jetzt noch vorhandenen Ausstattungsstücken dieser Zeit - in die Kirche: ein 1579 datierter Flügelaltar (später in der Kapelle von Echbeck, heute in der vorderen Sakristei von Heiligenberg) und die 1591/92 datierten Altäre des Überlinger Bildschnitzers Hans Ulrich Glöckner (jetzt im Schloss Heiligenberg). 1632 - während des 30jährigen Krieges - wurde das Schloss geplündert, in Betenbrunn die Wallfahrsmadonna beschädigt und der Taufstein umgeworfen. In der 2. Hälfte des 17. Jh. nahm das Kollegiat einen Aufschwung: Ein Kirchenumbau wurde nach der Hochzeit Graf Hermann Egons 1655 geplant, die barocke Ausstattung war wohl erst Ende des Jahrhunderts vollendet. 1727 war die Kirche schon wieder reparaturbedürftig: Hofbaumeister Brix aus Messkirch stellte einen Überschlag auf, der genehmigt wurde; 1728 Dachstuhlreparatur durch Betenbrunner Zimmermann Joseph Miller (1734 gest.) ausgeführt. 1731 wurde eine Rosenkranzbruderschaft eingerichtet. Wahrscheinlich schuf Joh. Georg Aichgassen 1738 die neue Orgel. 1740-43 wurden Bauinspektor Bikel aus Donaueschingen und der Messkircher Hofschreiner wegen des Accords für den Hochaltar mehrmals nach Betenbrunn beordert. Vom 4.8.1740 bis 9.1.1741 war der Maler Joh. Nik. Spiegel (1706-59) aus Messkirch am Hochaltar tätig. 1742 wurden die Seitenaltäre errichtet. 1743 weihte der Konstanzer Weihbischof, Graf Fugge, den Hochaltar.
Nach rund 400 Jahren Bestehens des Betenbrunner Kollegiatstifts begannen Verhandlungen über die Übersiedlung nach Donaueschingen, 1801 erfolgte mit päpstlicher Genehmigung seine Auflösung: Der letzte Propst Wetz wurde Pfarrer in Donaueschingen und Direktor am dortigen Gymnasium, zwei Chorherren wurden Professoren. Bei der Säkularisation 1803 ging das Vermögen in den Gymnsialfonds über. 1804 bekam Betenbrunn aus diesen Mitteln eine Pfarrei mit Pfarrer und Kaplan; die Fürsten zu Fürstenberg blieben Patronatsherren. 1892 wurde Schlossverwalter Brütsch als Architekt für Instandsetzungen vorgeschlagen: Turmdach und auch der Brunnen, der schon 1840 verändert worden war, waren wieder reparaturbedürftig. 1892/93 eine neue Kirchentür, 1894 Giebelortgang in Stein; bei Turmreparaturen jetziger Treppengiebel aufgesetzt. Nach langem Schriftenwechsel wurden 1900 die Gnadenkapelle und besonders der Altar erneuert unter Beibehaltung der alten Mensa, der Wallfahrtsmadonna und der heiligen Dominikus und Katharina. Neues Gitter von Kunstschlosser Albert aus Hertrach. 1904 und 1906 neue Fenster im Chor von Lutz und Empt, Konstanz; 1911 neuer Tabenakel von Mezger. 1902 neuer Sandsteinboden und neues Gestühl unter Beibehaltung der Wangen. Bei Heizungskanalgrabungen 1913/14 und 1943 Fundamente von früherem Langhaus gefunden, 1912 Kircheneingang erneuert, 1914 stiftete Pfarrer und Altbürgermeister Schreiber Stationsweg im Osten der Kirche und Ölbergkapelle. Letzte Renovierung des Kircheninnern 1969-71, des Äußeren 1979/80.

Wallfahrtskirche Betenbrunn

Innenraum. Nach dem schlichten Äußeren der Kirche ist man über die helle Festlichkeit ihres Innenraumes überrascht. Über dem rechteckigen, einschiffigen Langhaus spannt sich eine weiße Decke mit Leistenstuckformen. In einem Oval in der Mitte wächst ein Herz aus Akanthusblättern, umgeben von zwölf Engelköpfen auf Wolken, umwunden mit einer Blumengirlande und von einem Schwert durchbohrt; aus dem Herzen lodern Flammen, die von einem großen, einfachen Kreuz überragt werden: ein Symbol für die Schmerzen der Muttergottes. Die gleichen stuckierten Akanthusblätter mit Blüten aus dem Ende des 17. Jh. schmücken den Rundbogen zur Wallfahrskapelle und die drei gemalten Wappen in der Hohlkehle über dem Chorbogen. Diese Wappen erinnern an die Gründer, Förderer und Patronatsherren der Kirche: links Werdenberg-Wappen (Inschrift: HOC FUNDANTE), rechts Montfort-Wappen (HOC JUVANTE), in der Mitte Fürstenberg-Wappen PATROCINANTE).
In die Langhauswände sind fünf rechteckige, auf Holz gemalte Ölbilder, über ihnen querovale Bilder eingelassen, alle von gleichen Stuckornamenten gerahmt. Es sind Darstellungen aus dem Marienleben mit entsprechenden Symbolen: 1. Rechts von der Kanzel: Mariae Heimsuchung, darüber eine Landschaft mit sich zuneigenden Palmen und dem Schriftband BLANDA SE PACE SALUTANT. 2. Gegenüber: Christi Geburt mit der aufgehenden Sonne und CURATIS FERT GAUDIA PARTUS. 3. Daneben: Darstellung im Tempel mit dem singenden sterbenden Schwan und ALIIS VITAM SIBI FUNERA CANTAT. 4. Auf der Nordseite: Marientod mit Weihrauchfass und EXPIRAT SUAVITER. 5. Gegenüber: Maria auf der Mondsichel, von Wolken und Engeln zum Himmel getragen, darüber ein sich erhebender Phönix und COELUM REDIVIVA PETIT. Auch in die Orgelempore sind zu seiten des Orgelpositivs vier Bilder mit je zwei musizierenden Englen eingelassen, gerahmt von rötlichen, dem Stuck ähnlichen Ornamenten, die erst bei der letzten Instandsetzung wieder zum Vorschein kamen. Auf der Unterseite der Orgelempore ist der segnende Gottvater mit der Weltkugel dargestellt.
Im Chor sehen wir an der Decke stilistisch ähnliche Gemälde: in der Mitte eine Krönung Mariens, ein rechteckiges Gemälde, das offensichtlich hier in zweiter Verwendung durch angesetzte Kreissegmente mit Engelköpfen, Wolken und unten durch die erweitere Flusslandschaft bereichert wurde. Auch die ovalen Medaillons mit musizierenden Engeln, wie auch die kleineren über den seitlichen Emporen mit den Köpfen der Evangelisten gehören zu diesem älteren Gemäldebestand, der die Marienlegende nach einer Stichfolge E. Sadelers von 1556/88 nach Gemälden von Hans von Aachens darstellt, um 1600 entstanden sein muss und vermutlich aus einer anderen Kirche stammt.
Gnadenbild Wallfahrtskapelle BetenbrunnDie ältesten erhaltenen Kultbilder von Betenbrunn befinden sich in der gleichzeitig mit dem Langhaus entstandenen Wallfahrtskapelle an der Nordseite. Sie wird beherrscht von dem hohen Altar, den 1900 Victor Mezger auf der alten Mensa in neubarocken Formen errichtet hat. Das alte Auszugsbild zeigt den Wallfahrtsbrunnen, an dem Beter knien, darunter schwebt die Figur der thronenden Muttergottes über einer Ansicht von Betenbrunn. Zu dem Gnadenbild blicken knieend der hl. Dominikus - mit seinem Attribut, dem Hündchen mit der Fackel im Maul - und die hl. Katharina v. Siena. Bei der Neufassung dieser drei frühbarocken Schnitzfiguren wurden der Madonna und dem Kind andere Kronen aufgesetzt.
An der rechten Seitenwand der Kapelle ist eine spätgotische Pietà mit schmerzvollem Ausdruck der Muttergottes in ein Kriegerdenkmal einbezogen. Rechts darunter ist ein Findling eingemauert. Die Wallfahrtslegende besagt, dass ein schwedischer Söldner mit seinem Säbel das Gnadenbild zerschlagen wollte, aber abgeglitten sei. Eine Kerbe ist heuten och sowohl am Haupt der Figur, als auch in dem Findling zu sehen. Ein hölzerner Opferstock mit Eisenbändern und altem Schluss ist in die Kapellenecke eingemauert.

Aus: Schnell, Künstführer Nr. 1428 - Unv. Nachdruck der 1. Auflage (1983), 2002, Verlag Schnell & Steiner GmbH, Leibnitzstraße 13, D-93055 Regensburg, ISBN 3-7954-5139-6